Hallo Sebastian,
danke für Deine Rückmeldung in dieser interessanten Angelegenheit. Diese Geschichte ist, gerade wegen der gegensätzlichen Auffassungen, es trotzdem Wert, aus verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet zu werden.
Sicherlich wird irgendwann einmal jemand auf die Idee kommen, gerade wegen der Sortenvielfalt einen Multi-VoIP-Client zu programmieren. Ob dieser dann OpenSource ist, und zudem noch kostenlos, ist dann wahrscheinlich noch offen. Meiner Meinung nach ist es jedoch absehbar, dass Anbieter teurer Software diese Entwicklung hin zu "Es gibt einfach keinen Standard" aufgreifen werden, um das "Telefonieren mit vielen Anbietern aus einer Hand" zu ermöglichen.
Die PC-Telefonie ist jedoch für diesen Markt
unglaublich zweitrangig: Das Ziel der Marktherrschaft wird sein, dass eigene Protokoll auf der eigenen Hardware an die Spitze zu setzen, um so einen Quasi-Standard zu verwirklichen (vergleichbar mit Microsofts Netmeeting; "von der Verbreitung profitieren"). Das ist das betriebswirtschaftliche Denken, und am Beispiel von "Internet United" mit den SIP-Providern 1&1 und GMX an der Spitze, die mit der AVM-Telefonhardware/DSL-Router in Deutschland wahrscheinlich marktbeherrschend sind, am besten erklärt.
Der Markt für die PC-Telefonie ist dagegen geringfügig: Omnipotente Software hierfür ist meist so ausgelegt, dass sie lediglich für CallCenter geeignet, und für die private Anwendung zu teuer ist (z. B. TobitSoft). Oder aber eine favorisierte Killerapplikation ist das Lieblingskind eines Voice-over-IP-Providers, und man bekommt sie kostenlos, teilweise sogar in einer funktional eingeschränkten Version. Dadurch, dass die PC-Telefonie über das Internet meiner Erfahrung nach auf dem internationalen Markt eher unter dem Begriff "VoiceChat" firmiert, kommt es nun zusätzlich zu einer Vielfalt der Protokolle und Protokoll-Variation - doch erst das SI-Protokoll ermöglicht den technisch unproblematischen Sprung vom Internet auf das öffentliche Fest- und Mobilnetz. Da SIP jedoch lediglich auf einer technischen Empfehlung (RFC) basiert, ist es für jeden Anbieter ein leichtes, das Ursprungs-RFC-SI-Protokoll abzuwandeln, und durch die jeweilige Softwareschmiede das favorisierte Telefonie-Programm anpassen zu lassen. Schließlich möchte man als Anbieter, dass der Anwender möglichst nur über diesen einen Anbieter telefoniert, und über sonst niemanden! So macht sich der Anbieter exclusiv, und der Softwareherstellern wirbt mit der Verbreitung seiner Telefonie-Software für seine weiteren Fähigkeiten. Auch das ist marktwirtschaftliches Denken.
Die Vielfalt der SIP-Anbieter steht somit der Vielfalt der SIP-Variationen in nichts nach: Einheitliches ist geklittert, Sonderfunktionen sind fast überall auf eine andere, eigene Art und Weise gelöst worden, und dabei ist noch lange nicht das umgesetzt worden, was mit dem SI-Protokoll noch so alles möglich ist: Datenübertragung, VideoStreaming etc. pp.
Derjenige, der den Anspruch haben möchte, dieses alles unter einen Hut zu bringen, so wie es bei GAIM der Fall ist, hat demnach bereits mit dem SI-Protokoll einiges zu tun. Er würde sich sehnlichst wünschen, dass alles so funktionieren würde, wie es in der entsprechenden RFC bereits seit langem geregelt steht, und er wird verteufeln, dass er für jede noch so kleine Klitsche von SIP-Provider eine Modifikation am eigentlich einheitlichen Standard vorzunehmen hätte.
Und dann kommen noch die anderen Protokolle und Netze: IAX (Asterisk), ISDN-DSS1, H.323 (NetMeeting), Skype... Obwohl ich zugeben muß, dass die letzten beiden es vom betriebswirtschaftlichen Standpunkt her richtig gemacht haben, sind sie doch eine Insellösung: NetMeeting ist zwar unheimlich verbreitet durch das Windows-Betriebssystem, und Skype ist wegen seines "geschützten" Protokolles und der darauf abgestimmten Software quasi unanfechtbar, und schwappt mit gewaltigen Kundenzahlen (die hierzulande bis zum ersten Skype-Benutzer lediglich etwas über den bereits beherrschten internationalen Markt aussagten) aus den USA zu uns herüber; dennoch ist die vollständige Integration der PC-Telefonie-Möglichkeiten in ein Programm eine schwerwiegende Aufgabe.
Der Vorteil von Phoner, PhonerLite - und von SIP (!) - ist, dass die meisten Anbieter von Vioce over IP für die gängigsten Funktionen (Registrierung, Aushandeln der Sprachcodecs etc.) die grundlegenden Eigenschaften des SI-Protokolles nutzen. Darauf basiert Phoner, und Phoner ist mit
vielen SIP-Anbietern erfolgreich getestet worden. Eigentlich gibt es sogar noch nicht einmal den Bedarf, weitere Anbieter von Zeit zu Zeit hinzuzunehmen; doch wenn das Programm mit einem Exoten auch funktioniert, wieso nicht? Der Vorteil an beiden Phoner-Varianten ist nun einmal darin begründet, dass man eine beliebige Menge von Anbieter-Profilen verwalten kann.
Der Anspruch von Phoner und PhonerLite liegt nun einmal nicht darin begründet, Kommunikation um jeden Preis und über jedes erdenkliche Netzwerk und Netzwerkprotokoll zu bieten: Dafür jedoch funktionieren beide Programme mit den wahrscheinlich am meisten genutzten Möglichkeiten: PhonerLite und Phoner über SIP, und Phoner über ISDN. Und das kostenlos, mit netten und nützlichen Features, und zudem ständig weiterentwickelt.
Es ist naheliegend, dass es sicherlich wünschenswert wäre, alles unter einen Hut zu bekommen, und das zu den gleichen Voraussetzungen: PhonerLite und Phoner, und damit Heiko, versuchen jedoch, diesen Weg über die strikte Einhaltung von Standards zu erreichen. Ein SI-Protokoll ist demnach ein SI-Protokoll, so wie es aus der ursprünglichen RFC entnommen werden kann, und eine CAPI wird benutzt, wie eine CAPI nach den Vorgaben der CAPI.org genutzt werden kann. Funktioniert etwas mit einem exotischen SIP-Provider oder einer herstellermodifizierten CAPI nicht, dann liegt's nicht an Phoner's, sondern an der Abweichung vom Standard. Und da es genügend standard-"treue" Anbieter und Hersteller gibt, ist auch ganz einfach nicht die Veranlassung gegeben, PhonerLite und Phoner durch ständige, nur scheinbar "notwendige" Erweiterungen zur monströsen Killerapplikation heranwachsen zu lassen.
Ich wünsche demjenigen, der ein Multi-Phoner-Programm zu Stande bringen will, von Herzen alles Gute: Seine Aufgabe, sich an jeder Abweichung von der Norm aufzuhalten, und alle Protokoll-Möglichkeiten zu integrieren, ist bereits jetzt eine ziemlich große!
Viele Grüße vom Kai.